Urteil zur Frage, wann ein Dach dicht ist

Wann ist ein Dach dicht? Wenn es nicht hereinregnet und man von drinnen die Sterne nicht sehen kann? Die Frage ist bewusst irreführend gewählt, denn in seinem rechtskräftigen Urteil musste sich das Oberlandesgericht (OLG) München mit dem Umfang der Prüfungs- und Hinweispflicht des Werkunternehmers und der Frage befassen, ob sich die Leistung des Werkunternehmers auf seine isolierte Werkleistung beschränkt.

Der Sachverhalt

Ein Dachdecker war beauftragt, auf einem Flachdach die Abdichtung aufzubringen; das betreffende Dach war als so genanntes Umkehrdach konstruiert. Das Umkehrdach ist eine einschalige Dachkonstruktion mit umgekehrtem Dachaufbau ohne Dampfsperre, bei der die Wärmedämmschicht auf der Oberseite der Dachabdichtung liegt. Wegen des Fehlens der Dampfsperre muss die Dachabdichtung samt Vorgewerk so ausgebildet sein, dass der im Gebäudeinneren entstehende Wasserdampf (Raumfeuchtigkeit) nach Außen entweichen kann. Damit das Kondenswasser auf den Dachbahnen zügig abfließen kann, muss die Oberseite eines Umkehrdaches dafür mindestens ein Gefälle von 2 Prozent aufweisen.

Doch die im vorliegenden Rechtsstreit vom Rohbauunternehmer hergestellte oberste Betondecke wies nicht das erforderliche Gefälle auf. Deshalb konnte das Kondenswasser nicht abfließen und es kam zum Wassereintritt in das Gebäude und zur Durchfeuchtung des Mauerwerks. Dies hätte der beklagte Dachdecker vor Beginn der Ausführung prüfen, erkennen und den Auftraggeber unverzüglich über den Mangel des Vorgewerks informieren müssen. Denn jeder Auftragnehmer, der seine Leistung in einem engen Zusammenhang mit den Vorarbeiten eines anderen Unternehmers auszuführen hat, muss prüfen, ob diese Vorarbeit die geeignete Grundlage für die eigene Arbeit bietet und keine Eigenschaften aufweist, die den Erfolg der eigenen Leistung in Frage stellen könnte (BGH NJW 1960, 1813; BauR 1987, 86).

Das Urteil

Folgerichtig kam der 27. Zivilsenat des OLG München zu folgendem Urteil:

  1. Die Leistung des Werkunternehmers beschränkt sich nicht auf seine isolierte Werkleistung, sondern muss deren funktionelles Umfeld mit einbeziehen. Dies betrifft vor allem Vorgewerke, mit deren Überprüfung der Auftragnehmer den Erfolg seiner eigenen Leistung abzusichern hat.
  2. Zur Dichtigkeit eines Daches gehört nicht nur die Vermeidung des Eindringens von Niederschlagswasser, sondern auch die Verhinderung von Kondensatbildung.

OLG München, Urteil vom 30.11.2005 – 27 U 229/05
BGH, Beschluss vom 27.07.2006 – VII ZR 283/05
(Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Fazit

Kurzer Blick zurück auf die Eingangsfrage: Wann ist ein Dach dicht? Nach der DIN 18338 (Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten) ist eine Dachdeckung regensicher und eine Dachabdichtung wasserdicht auszuführen. Nach DIN wäre ein Dach also dicht, wenn es das Gebäude vor Wasser von außen schützt. Diese Norm ist jedoch nicht geeignet, den durch § 633 a.F. BGB und § 13 Nr. 1 VOB/B geprägten und von Anforderungen des täglichen Gebrauchs bestimmten Mangelbegriff einzuschränken.

Hieran hat sich – hinsichtlich der Legaldefinitionen des Sachmangels in § 633 BGB – auch durch die Schuldrechtsreform nichts geändert. Das bedeutet, dass eine Dachabdichtung das Gebäude vor Feuchtigkeitsschäden zu schützen hat, egal ob diese nun von außen oder von innen stammen.

Erst dann ist das Dach dicht!